"Bittersweet Symphony"
Wieder einmal ein rießengroßes Dankeschön an alle Feedbackschreiber, es macht solchen Spaß eure Kommentare zu unserer FF zu verfolgen. :)
Teil 3 – You are my mission
"So du bist also ein Engel ja?" fragte er sie skeptisch und mit leicht schiefer Kopfhaltung musternd. Er beschloss selbst auf seine Frage zu antworten: "Ich denke eher, du bist das Produkt meines erschütterten Gehirns. Ich bilde mir das alles ein." Er machte eine kleine Pause und sprach dann in einem vor Sarkasmus triefenden Tonfall weiter: "Oder bist du tatsächlich hier um dich darum zu kümmern, dass es mir gut geht, dass ich genug zu essen habe und dass meine Wäsche gewaschen ist? Wenn du nämlich schon mal dabei bist Putzfrau, Köchin oder was auch immer zu spielen, könntest du auch gleich den Abwasch machen." Er warf ihr einen schamlosen Blick zu und fragte mit lüsterner Stimme: "Was genau gehört wohl noch dazu mich glücklich zu machen?" Gott, war das krank, dass er überhaupt noch mit ihr redete. Sie war nicht real! Sie war nicht hier.
Beth Augen wurden groß sie klappte den Mund auf um etwas zu sagen. Alex deftige, ungehobelte Worte gefielen ihr nicht, aber er ließ sie gar nicht erst ihren Protest aussprechen.
"Es hat noch nie jemand gegeben, der für mich wäscht oder sonst was für mich tut. Niemand hat sich je für mich interessiert", fauchte er kalt. "Nein, das stimmt nicht ganz - einen Menschen gab es, doch der ist...", er schluckte hart als seine Kehle sich zuschnürte "..fort. Hat mich verlassen. So wie alle es früher oder später tun. Also wieso machst du es ihm nicht nach, flatterst zurück auf deine flauschige Rosa Wattewolke spielst ein bisschen Harfe oder was auch immer ihr da oben den ganzen Tag macht? Lass mich endlich in Ruhe!"
Ohne ihre Antwort abzuwarten marschierte er schnurstracks zum Bad. Was er brauchte war eine Dusche, dann würde er sicher wieder alles klar sehen. Was so ein missglückter Selbstmordversuch alles anrichten konnte. Nicht zu fassen! Im Bad angekommen drehte er hektisch das Wasser auf und entledigte sich seiner Boxershorts. Weil er schon seit Monaten seine Miete nicht zahlen konnte hatte ihm der Hauseigentümer, ein fieser geldgeiler Fettsack, das warme Wasser abgestellt doch Alex war immer noch nicht dran gewöhnt kalt zu duschen. Er bibberte schon bei dem Gedanken unter den kalten Strahl zu treten und bereitete sich mental auf die folgende Gänsehaut vor, aber dieses Mal war es ein wohliger Schauer der ihn überkam, als er in die Duschkabine stieg. Ein entspanntes "Ahhhhhh", entwich ihm, als das warme Wasser die harten Muskeln in seinem Nacken weich kochte.
Eine halbe Stunde später trat Alex aus der Dusche und fühlte sich wie neugeboren, nur sein Kopf tat noch etwas weh. Er wischte den beschlagenen Spiegel mit dem einzigen Handtuch das er besaß frei und schlang sich das flauschige Frottee um die Hüften. Dann warf er seinem Spiegelbild einen ernsten Blick zu. "Komm wieder klar, Alex", befahl er sich.
"Hast du denn gar keinen Hunger?" fragte eine überfreundliche Stimmt plötzlich direkt neben ihm. Alex sprang ein paar Schritte zur Seite, was in dem engen Badezimmer gar nicht so leicht war und zog das Handtuch enger um seine Hüften. "Wie zum Teufel bist du hier rein gekommen?" fragte er entsetzt, doch dann viel ihm ein, dass schizophrene Einbildungen selten klingeln, oder klopfen oder sich sonst irgendwie ankündigen.
Beth schmunzelte und ihre Augen bewegten sich plötzlich wie von allein zu den nassen Haaren auf seiner Brust. Ihr Blick klebte auf seinem dampfenden Körper. In Engelsjahren gerechnet, war es eine ganze Weile her, dass sie einen Männerkörper nackt gesehen hatte und irgendwie faszinierte sie die Art, wie sich sein Brustkorb unter den hektischen Atemzügen anhob und wieder senkte. Auch als sie ihm antwortete machte sie sich nicht die Mühe ihm dabei ins Gesicht zu schauen. "Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken", säuselte sie leicht verträumt. "Was ist das da?" fragte sie und berührte mit den Fingerspitzen die rote Tätowierung über seiner linken Brustwarze. „Und das?“ Ihr Finger wanderte ungeniert zu seinem rechten Brustmuskel, welcher seinerseits durch ein kleines Tattoo geziert war.
Alex zuckte. Er hatte das Gefühl, als wären ihre Finger elektrisch geladen, deshalb wich er noch einen Schritt zurück, so dass er nun fast mit dem nassen, aufgewärmten Rücken an der kalten Wand stand. Er verdrängte die aufkommende Nervosität und räusperte sich: "Ehm, das ist ein Gecko."
"Ein Gecko." Beth sprach das Wort so aus, als hätte sie es gerade neu dazugelernt.
"Ja, ein Gecko", wiederholte Alex noch einmal und drängelte sich dann an seiner gefährlich nahen Halluzination vorbei. Irgendwie wurde ihm die Situation zu brenzlich und ……..zu heiß, eine wunderschöne Blondine berührte ihn und…NEIN sie war nicht echt! Sie war verdammt nochmal nicht echt!!! Nicht mehr lange und er würde sich wünschen mit seiner Halluzination Dinge zu tun, die wirklich dringend psychologische Hilfe benötigten!
Er musste sich setzten, denn sein Kopf begann sich schon wieder zu drehen, also nahm er auf einem der Küchenstühle Platz. Beth folgte ihrem Schützling und setzte sich zu ihm an den Tisch. Bemutternd schob sie ihm ein frisches Glas Milch und die Schüssel mit den Plätzchen entgegen. "Hier, du solltest erstmal frühstücken."
Alex hob den Blick, nahm skeptisch einen, mit Zuckerperlen verziertes Gebäckstück in die Hand und betrachtete den konditorisch begabten ENGEL vor sich. "Das ist also deine Vorstellung von einem Frühstück? Vanillekipfel und Zimtsterne?"
Beth rückte unruhig auf dem Stuhl hin und her. "Ich dachte, ihr Menschen esst gerne Plätzchen zur Weihnachtszeit", ihr Mund verzog sich zu einem leichten Schmollen und Alex lachte, entzückt von ihrer süßen Art. Hungrig biss er in das Gebäck und spülte mit einem großen Schluck Milch nach. "Klaro, Plätzchen sind super...", zwinkerte er seinem mysteriösen Besuch kauend zu. Innerlich konnte er nur noch den Kopf über sein Verhalten schütteln. Was für eine absurde Situation? Er saß nur mit einem Handtuch um die Hüften am Küchentisch und aß Plätzchen, die seine offensichtlich gespaltene Persönlichkeit für ihn gebacken hatte. Moment mal - Wenn er tatsächlich eine gespaltene Persönlichkeit besaß, würde es bedeuten, dass er die Plätzchen selbst gebacken hatte? Alex surrte der Kopf.
Beth' Züge erhellten sich zu dem üblichen Strahlen. Genervt legte Alex das angebissene Stück bei Seite. "Würdest du bitte damit aufhören?"
Beth stutzte. "Womit denn?"
"Mit diesem dämlichen Grinsen! Deine gute Laune ist ja unerträglich!" Alex überlegte. So eine lebensfrohe Persönlichkeit könnte er sich unmöglich ausgedacht haben.
"Aber ich bin doch so schrecklich glücklich!" Beth stand auf und drehte sich einmal um sich selbst während sie die Arme in die Luft warf und vor Freude jauchzte. Alex verdrehte stattdessen lediglich die Augen.
"Endlich hab ich die Chance ein wirklich guter Schutzengel zu werden und ich bin so froh, dass ich mal wieder auf die Erde durfte, denn unter uns," sie zeigte mit dem ausgestreckten Finger nach oben und flüsterte, "Da oben kann es manchmal ganz schön langweilig werden." Beth hüpfte wie ein junges Reh durch die Wohnung, nahm Alex' bereits getrocknete Kleidung von der Heizung und legte sie fein säuberlich gefaltet vor ihn auf den Tisch. "Hier, zieh dich an. Wir haben heute viel vor!"
"Und das wäre?" Alex zog die Augenbraue nach oben.
"Dich glücklich machen!"
"Natürlich, was sonst", antwortete Alex mit einem ironischen Lachen. "Weißt du was? Wieso fängst du nicht schon mal damit an indem du verschwindest und ich gehe in der Zwischenzeit zu Arbeit." Beth blieb verdutzt stehen als Alex ihr ein Zeichen gab, dass sie sich umdrehen sollte, während er sich anzog. "Was ist, willst du mir dabei etwa auch zugucken?"
Beth fühlte eine leichte wärme in den Wangen und drehte sich verschämt weg. Einen Moment später wurde sie von ihrem Schützling bei Seite geschoben. Er hatte die Gitarre auf den Rücken geschnallt und drängelte sich unsanft an ihr vorbei. Ohne ein Wort verließ er das Appartement.
tbc