Endlich ist es soweit. Stolz präsentiert A-O-L International das diesjährige Weihnachtsmärchen
"Bittersweet Symphony"
Eine gemeinsam geschriebene Fanfiktion von Miss St. John und Labormieze
gebetat von Arualy
Kapitel 01 – „guardian angel strikes again„
Das Leben hatte es noch nie besonders gut mit ihm gemeint und wenn man es genauer betrachtete war Alex sogar ein richtiger Verlierer. Kein richtiger Job, kein Geld, keine Familie und neuerdings auch keine Freunde. Ganz allein versuchte er in einer verdammt großen, verdammt unbarmherzigen Stadt die Tage zu überstehen. Seine momentane Einnahmequelle war seine Gitarre, mit der er Tag ein Tag aus, die größte Fußgängerzone der Stadt unterhielt. Die rostig gewordenen Saiten des Instrumentes malträtierten seine Fingerkuppen und hatten ihm schon eine hartnäckige Hornhautschicht beschert. Seinem Griffbrett ging es nicht besser. Von den wiederkehrenden Akkorden hatten sich abgenutzte, schmierige Stellen gebildet. Das war der Lohn, wenn man in der Winterzeit ein Weihnachtslied nach dem anderen zum Besten geben musste.
Alex spielte immer an der gleichen Stelle, Ecke Masion-Freet-Street und in den Pausen sah er den Passanten dabei zu, wie sie ihr Geld unter die Ladenbesitzer brachten. Wenn sich am Ende des Tages auch ein paar Dollar in dem umgedrehten Hut vor seinem Lager verirrt hatten, dann war ein guter Tag. Doch meist blieb der große Gewinn aus und Alex musste eine Doppelschicht in der schäbigen Kneipe einlegen, in der er ab und an als Barkeeper arbeitete, damit er die Miete für seine Bruchbude zahlen konnte. Aus dem Spielparadies gegenüber sah er täglich die Konsum-geschädigten Kindern reicher Familien an der Hand der Mutter weinen, weil die teuren Wünsche nicht erfüllt wurden. Täglich sah er zu dem Juwelenladen an der Ecke und beobachtete glückliche Pärchen bei der Auswahl der Brautringe. Täglich sah er rüstige Rentner auf der Suche nach Schnäppchen.
So ein Leben würde er niemals führen. Zu einsam war sein Dasein, zu traurig seine Vergangenheit. Außer während seiner Schulzeit, hatte er keine wirkliche Ausbildung genossen und was Familie anging, so war ihm das Zusammenleben von Menschen nur aus den unzähligen Waisenhäuser bekannt, in denen er seine Kindheit…wenn man es denn so nennen kann….verbracht hatte. Im Grunde war er also die Definition eines absoluten Losers, überlegte Alex und verstaute seine Gitarre in der abgenutzten Tragetasche. Dann fischte er die Ausbeute des Abends aus dem Fedora und setzte sich den Hut auf die ungewaschenen, kurzen Haare. Immerhin hatte er ein Dach über dem Kopf und er hatte einen besten Freund. Na ja, eigentlich war Josef nicht nur ein Freund…er war vielmehr ein Ratgeber, Seelenverwandter und Bruder in einer Person. Doch die Betonung lag auf
WAR. Denn seit über einem Jahr hatte er nichts mehr von ihm gehört. Wenn Alex an Josef dachte wurde er noch melancholischer als er sowieso schon war. Er vermisste die Gespräche mit ihm und der vermisste seinen trockenen Humor, der auch die unglücklichsten Umstände nur halb so schlimm wirken ließ. Und irgendwie schienen die Tage immer grauer, immer sinnloser zu werden, seit dem ihm sein bester Freund den Rücken zugekehrt hatte. Das alles war so untypisch für Josef. Irgendetwas Schlimmes musste ihm zugestoßen sein. Bei dem Gedanken zogen sich Alex’ stets hungrige Eingeweide zusammen. Nein! Wahrscheinlich hatte Josef einfach nur die Schnauze davon voll ständig Hobbypsychologe für den chronisch niedergeschlagenen Alex zu spielen. Permanentes Gejammer hatte am Ende noch jeder Freundschaft ein Ende bereitet. Alex konnte es seinem Kumpel noch nicht mal übel nehmen, denn diese depressiven Verstimmungen hingen ihm selbst zum Hals raus.
Auf dem Heimweg schritt er an dem irischen Pub vorbei, in dem die beiden schon so viele Abende zusammen verbracht hatten und er bemerkte den Kloß in seinem Hals, der sich formte wenn er daran dachte, wie sehr ihm Josef fehlte.
Der Winter war plötzlich und ohne Vorwarnung eingebrochen und vertrieb mit seiner Dunkelheit und seiner Kälte endgültig jede Lebensfreude in Alex. Er war schon immer ein Mensch gewesen, der die Sonne, die Natur und das Meer liebte. Frostige Nächte und eine Stadt voller Autos und ignoranten Großstadtbewohnern war so ziemlich das schlimmste Szenario was er sich vorstellen konnte. Warum er überhaupt in dieser Stadt gelandet war? Wegen dem großen Geld natürlich. Leider hatte er es bis heute in den Hochhäuserschluchten nicht auftreiben können.
Mit einiger Mühe schaffte Alex es sein vereistes Türschloss zu öffnen. Kraftlos und irgendwie niedergeschlagen nahm er die Treppen in den dritten Stock und begegnete im Treppenhaus dem alten Willy, der ihm die niederschmetternde Botschaft überbrachte, dass die Heizung erneut ausgefallen war. Konnte der Tag noch frustrierender werden? In seiner Ein-Zimmer Wohnung erwartete ihn die übliche Leere. Eine durchgelegene Matratze vom Speermüll, ein altes TV Gerät und eine kleine Küchenzeile…mehr brauchte er zum Leben nicht. Vorsichtig legte er seine Gitarre auf die stets unbenutzte Seite des Bettes. Sein Baby sollte es heute Abend warm haben. Dann öffnete er das Fenster um sich ein Bier vom Fenstersims zu nehmen, der als eine Art ’provisorischer’ Kühlschrank herhalten musste seit dem die Temperaturen unter fünf Grad gesunken waren. Geschickt hebelte er die Flasche am Fensterrahmen auf und spülte den fahlen Geschmack der Traurigkeit herunter. Mit einer tiefen Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen blickte Alex zum Sternenbesetzten Himmel. Sein Atem kondensierte an der klirrend kalten Nachtluft. Mit etwas Glück würden die Temperaturen in dieser Nacht oberhalb der Minus-Zwanzig-Grad-Marke bleiben und er würde am nächsten Morgen noch alle seine Zehen besitzen.
Am nächsten Morgen…..Alex schluckte, denn plötzlich wurde ihm die Sinnlosigkeit seines tagtäglichen Kampfes bewusst. Warum sollte er sich um den nächsten Tag sorgen? Warum sollte er hoffen, dass sich mit einem neuen Tag irgendetwas in seinem Leben verändern würde. Ohne weiter darüber nachzudenken hob er sein Bein an und stemmte sich mit dem Fuß auf das Fensterbrett. Die tagsüber stark befahrene Straße vor seiner Wohnung war in dieser Nacht wie ausgestorben und Alex starrte an der Hauswand herunter während er sich weiter auf den Sims vortastete und sich schließlich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Er warf einen letzten Blick in seine Wohnung und winkte seiner Gitarre, als wäre es eine Liebhaberin die in seinem Bett auf ihn warten würde. „Schlaf gut, Baby“, lachte er und drehte sich, bereit zum Sprung.
Einen tiefen Atemzug lang stand er ganz still da um diesen unwürdigen Augenblick, der der letzte seines Lebens sein sollte, zu genießen. Ein spontaner Anfall von Selbstmord. Ein trauriges Ende für ein noch traurigeres Leben. Sicherlich würde er eine ordentliche Schweinerei auf der Straße hinterlassen…bei der Kälte würde die Ersthelfer seinen Körper, oder das was davon übrig blieb regelrecht von dem Asphalt kratzen müssen. Gerade als Alex darüber nachdachte ob ein Selbstmord zur Weihnachtszeit ein paar Tränen in die Augen der Nachbarn treiben würde, lockerte sich ein Teil des porösen Mauerwerks. Er rutschte mit dem rechten Fuß weg und schlug hart mit dem Rücken am Fensterrahmen auf. Verzweifelt versuchte er nach dem rettenden Sims zu greifen….denn plötzlich entpuppte sich der Sprung aus dem Fenster als echte Schnapsidee….aber seine Finger konnten sein Gewicht nicht halten und er plumpste wie ein nasser Sack in die Tiefe.
Der Fall fühlte sich eigentlich ganz gut an. Irgendwie frei und luftig. Wenn da nicht die Panik vor dem Aufprall wäre. Scheiße, er wollte doch noch gar nicht sterben. Das mit dem Suizid war doch gar nicht ernst gemeint, sondern ein kurzer Anfall von Selbstmitleid. Alles in ihm verkrampfte sich…..und plötzlich schlug er auf…..oder besser ein. Seine Landung war nicht hart und tödlich…sondern weich und…..
stachelig?
Alex brauchte einen Moment um sich zu orientieren. Mühsam drängte er die Äste der Nadelbäume die ihn mit einem Mal umgaben bei Seite und kämpfte sich an die Oberfläche des kleinen Waldes. Angewidert spuckte er ein paar Nadeln aus und schüttelte den Kopf. War das die Hölle? Der Himmel konnte es mit Sicherheit nicht sein, außer Gott hatte einen grünen Daumen und eine Vorliebe für Weihnachtsbäume. Das Geräusch eines Auspuffes und der Ruck der durch den Nadelwald ging verriet ihm wo er sich befand. Er musste auf einem dieser Transporter gelandet sein, die die umliegenden Märkte mit Weihnachtsbäumen versorgten. Genervt rollte er mit den Augen. Großartig! Der Abend wurde ja immer besser! Verstört blinzelte er und fasste sich an die Stirn. Sein Kopf drehte sich und ihm wurde übel. Als der Transporter an der nächsten Ampel zum stehen kam ließ sich Alex von der Ladefläche rollen und landete unsanft am Straßenrand, wo er ein halbe Ewigkeit lang einfach regungslos liegen blieb. Irgendwann kroch die Kälte in seine schmerzenden Glieder. Sein Kopf drohte zu zerspringen als er sich aufrichtete. Sein Körper wurde taub und nur der hämmernde Schmerz hinter der Stirn hielt ihn bei Bewusstsein. Mit ein paar Tannenzweigen im Haar torkelte er langsam zurück zu seiner Wohnung.
„Du schon wieder. Ich hab dich gar nicht gehen sehen….“, grüßte Willy im Treppenhaus aber Alex beachtete ihn nicht. In seinem Zimmer angekommen stolperte er zu der Schublade mit den Aspirin. Er musste sich bei seinem Sturz eine Gehirnerschütterung zugezogen haben. Schnell nahm er die Tablette ein und taumelte auf seine Matratze zu um die Bewusstlosigkeit willkommen zu heißen. Doch plötzlich hielt er inne. Da war noch jemand anderes in seinem Zimmer und er könnte auch erkennen wer, wenn sich der Raum nicht so rasend schnell um ihn herum drehen würde. Alex blieb stehen. Er musste sich neu justieren, denn der Schwindel drohte ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.
"Hallo du" sprach ihn plötzlich eine liebliche Stimme an.
Alex blinzelte angestrengt und als sich der Nebel vor seinen Augen lichtete, sah er vor sich eine wirklich bezaubernde Erscheinung. Eine wunderschöne Blondine mit leicht gelocktem Haar stand ihm Gegenüber. Das konnte nur ein Traum sein. Ein heimtückischer Streich seines Unterbewusstseins, der ihm zeigen sollte wie schlecht es ihm ging und was er alles
NICHT hatte. Das Trugbild wirkte so real und es redete mit ihm. Was eindeutig völlig absurd war!
"Mein Name ist Beth, ich weiß du kennst mich nicht." Mit einem kindlichen Lächeln auf den Lippen kam sie über die schmutzigen Dielen zu ihm heran. Er betrachtete die zierliche Frau für einen Moment. Ihr Haar glänzte so sehr, dass es ihm in den Augen weh tat, ihre Haut war makellos und ihr wohl proportionierter Körper steckte in einem leichten, weißen Kleid aus feinstem Stoff. Sie war ziemlich leicht bekleidet für eine winterliche Halluzination. "Meine Chefin schickt mich und sagte mir du brauchst dringend Hilfe“, sprach sie freundlich.
Alex hob sichtlich verwirrt eine Augenbraue und machte, worüber er selbst nur den Kopf schütteln konnte, wirklich Anstalten dieser hübschen Halluzination zu antworten. Mein Gott wie tief er doch gesunken war, nun auch noch Selbstgespräche zu führen. "Deine Chefin?!?" erwiderte Alex mit einem sarkastischen Tonfall in der Stimme.
„Du bist mein neuer Job“, verkündete die engelsgleiche Einbildung stolz.
"Dann richte deiner Chefin mal aus, dass ihr Angebot dankend ablehne….mir ist nämlich nicht mehr zu helfen und deine Anwesenheit ist der beste Beweis dafür." Kaum hatte er den Satz ausgesprochen ließ er sich auf die alte Matratze auf den Boden sinken und kniff krampfhaft die Augen zusammen. Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Stutzig von der Reaktion ihres Schützlings zog Beth die Stirn kraus. "Das ist aber nicht nett von dir! OK, ich geb’s ja zu….ich bin vielleicht nicht der beste Schutzengel den es gibt“, sie stemmte die Hände in die Hüften und tappte mit dem Fuß auf. Fordernd trat sie vor ihn und ging zu ihm auf die Knie. „Aber ich verspreche dir, dass ich alles wieder gut mache und dir aus deiner Lebenskrise helfe, so wie es sich für einen guten Engel gehört“, prophezeite die zierliche blonde Schönheit und ihr Mund wurde sogleich von einem stolzen und unbefangenen Lachen geziert.
Alex beschloss sie einfach zu ignorieren. Engel? Wenn er jetzt ganz still liegen bliebe und einfach die Augen schloss, würde der Raum aufhören zu rotieren. Im gleichen Moment begannen die Schmerztabletten zu wirken und eine einschläfernde Schwere entspannte seinen Körper. Ihm war, als würde eine Hand seine Wange berühren, doch die Müdigkeit gestattete ihm nicht mehr darauf zu reagieren. Sicherlich würde er bald aus diesem dämlichen Wunschtraum aufwachen. Eine süße Blondine an seinem Bett….das wäre auch zu schön um wahr zu sein.
Tbc….