"Bittersweet Symphony"Kapitel 10 – 'Carnal Desire' Alex erwachte am nächsten Morgen mit einem Krampf im Nacken. Er war so tief in die Polster der Couch versunken, dass es aus sah als wollte ihn das Möbelstück mit Haut und Haar verschlucken. Mühsam kämpfte er sich hoch und rieb sich verschlafen die Augen. Obwohl draußen Frost herrschte schien die Sonne. Sie erhellte das Zimmer und ließ die Staubflocken in der Luft wie tausend Sterne glitzern. Alex rieb sich die Schulter. Nächste Nacht, so nahm er sich vor, würde er den Boden der viel zu weichen Couch vorziehen. Er blickte sich um und konnte Beth zunächst nicht entdecken. Wo war sein verkatertes Engelchen? Alex schmunzelte bei dem Gedanken an den letzten Abend. Er erinnerte sich an ihren vom Alkohol glasigen Blick und an das leichte Schielen ihrer Augen, als er ganz dicht vor ihr stand und ihrem Gesicht unter dem Mistelzweig immer näher und näher kam. Ein aufgeregtes Kribbeln breitete sich in seinem Bauch aus, als er daran dachte wie unglaublich weich sich ihr Mund angefühlt hatte. Alex fuhr sich nervös durch die Haare, so dass sie ihm wie kleine Stacheln vom Kopf abstanden. Herrje, was hatte er sich da eingehandelt? Hätte er bloß nie bemerkt wie süß und atemberaubend und bezaubert sein Engel war, dann wäre jetzt so manches leichter. Zum Beispiel ihr an diesem Morgen unter die Augen zu treten.
Als Beth die Tür mittels eines Gedankens öffnete -Engel brauchten keine Schlüssel- war sie überrascht Alex in einem dunklen Morgenmantel bekleidet am Küchentisch sitzend vorzufinden. Ihre Wangen erröteten und sie fing an imaginäre Flusen von ihrem Mantel zu zupfen. Ein schüchternes Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie sich aus dem Mantel schälte, ihn mit einem leicht atemlosen, „Hey“, begrüßte und triumphierend eine Brötchentüte hochhielt: „Ich habe Frühstück mitgebracht“, strahlte sie und beobachtete die Reaktion ihres Schützlings. Er blickte sie halb verschlafen, halb verwirrt an. Gut, er hatte also nicht bemerkt dass sie die halbe Nacht in ihrer Mission unterwegs gewesen war. .
Wirke unauffällig… bloß nichts anmerken lassen, ermahnte sie sich innerlich. Ohne eine Begrüßung seinerseits abzuwarten plapperte Beth drauf los: „Es ist komisch. Als Engel hab ich nie großen Hunger gehabt…außer auf Vanillekipfel und Baiser…aber plötzlich bekomme ich Appetit auf Kaffee und Spiegelei“. Von ihrem nächtlichen Ausflug und den Neuigkeiten die sie entdeckt hatte war sie ganz aufgedreht und am liebsten hätte sie es ihrem Schützling sofort erzählt. Doch die Zeit dafür war noch nicht gekommen. Auch wenn es ihr wie Brausepulver auf der Zunge prickelte, sie würde nichts sagen. Zumindest noch nicht jetzt…
Er räusperte sich. „Vielleicht wirst du wirklich immer menschlicher, je länger du auf der Erde bist“, spekulierte er und Beth nickte während sie die nackte Haut unter seinem Morgenmantel anstarrte und einen Moment später von seinen bunten Ringelsocken abgelenkt wurde.
Alex ging an ihr vorbei und drehte sich zur Küchenzeile, wo er nach den Kaffeefiltern griff und Wasser in den Tank der alten Kaffeemaschine füllte. „Nochmal wegen gestern“, begann er beiläufig und wagte nicht ihr dabei ins Gesicht zu sehen.
„Der Kuss?“ fragte Beth.
„Ja, die Sache mit dem Kuss…..ich, ich denke das war so eine Art Unfall.“
Beth nickte, aber die Skepsis in ihrem Blick war nicht zu übersehen. „Unfall?“
Alex häufte nachdenklich Kaffeepulver auf einem Löffel, drückte auf den abgegriffenen Kopf der Maschine und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Aromatische Duft von gerösteten Bohnen und das Blubbern von Wasser erfüllten den Raum und waren für einen Moment die einzigen vernehmbaren Geräusche.
„Na ja, da war dieser blöde Mistelzweig und dieser nervige kleine Junge….du warst angetrunken und ich hätte das nicht machen dürfen“, geistesabwesend versuchte Alex den heißen Kaffee in einen Becher zu füllen. Beth sah in seine blauen Augen und fühlte sich einen Moment an die Weiten des Himmels erinnert.
Sein Blick studierte ihr Gesicht, während er die dampfende Flüssigkeit eingoss und……“AUTSCH!“…..der Kaffee geradewegs auf seinem Handrücken landete. „Mist verdammt“, fluchte Alex und hielt die pochende Verbrennung so schnell wie möglich unter fließend kaltes Wasser. „Scheiße“, murmelte er. Irgendwie war er plötzlich frustriert. Nicht wegen der Verbrühung oder dem verschütteten Kaffee….sondern weil er sich insgeheim wünschte, dass sie ihn trotz aller Vernunft um einen weitern Kuss bitten würde.
Beth musste ein Lachen unterdrücken. Alex sah so hinreißend aus, mit den verwuschelten Haaren, dem Morgenmantel und den gemütlichen Shorts, die er vor dem Schlafen-gehen angezogen hatte. Er wirkte so nervös und war so niedlich tollpatschig. Sie rückte die Kaffeetasse bei Seite und griff nach dem Lappen in der Spüle. „Lass mich das wegwischen. Besser du setzt dich und ich kümmere mich ums Frühstück“, riet sie ihm und versuchte sich an einem Augenzwinkern. Diese Geste hatte sie schon oft bei ihm beobachtet und irgendwie hatte er es mit einem Augenzwinkern immer geschafft ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Leider blieb die gewünschte Wirkung aus, denn Alex setzte satt einem Lächeln einem zerknirschten Gesichtsausdruck auf und schlurfte wieder Richtung Couch.
Schwerfällig ließ er sich in die Polster plumpsen und schnaufte. Großartig, warum fühlte er sich so bedrückt wegen dem Kuss? Und warum sprühte sein Engel an diesem Morgen nur so vor Energie? Sein Kopf begann zu dröhnen. Sollte nicht eigentlich Beth diejenige sein, die an Kopfschmerzen lit. Schließlich hatte sie vergangene Nacht ziemlich tief in den Glühweinbecher geschaut.
Alex Blick fiel auf sein ‚Baby’, wie er seine Gitarre liebevoll nannte. Er griff nach dem Instrument und bemerkte eine Veränderung. Die Saiten sahen aus wie neu, noch ganz glänzend und unbenutzt, und die Holzdecke war auf einmal vollkommen glatt, ohne die kleinen Dellen und Macken. Es war als hätte man sein Baby generalüberholt und sie frisch poliert zurück in den Gitarrenständer gestellt. Begeistert sah er zu Beth herüber. „Hast du das gemacht?“
„Freust du dich?“ rief sie ihm über die Schulter zu, während sie damit beschäftig war Eier in die schon heiße Pfanne zu schlagen.
Alex strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Freuen? Freuen ist gar kein Ausdruck!“ Vorsichtig schlug er ein paar Saiten an und lauschte deren Klang. „Wow, sie klingt wie neu!“ Total vertieft zupfte er an der Gitarre und begann zu spielen. Er spielte keinen bestimmten Song, sondern einfach das was ihm gerade einfiel. Dazu begann er leise eine Melodie zu summen.
„Das klingt schön“, flüsterte Beth als sie einen Teller voller Rührei und noch brutzelndem Speck vor ihm abstellte. „Hast du das selbst geschrieben?“
„Ach, das ist nur ein bisschen improvisiert…..ich schreibe schon lange keine Songs mehr.“
„Warum nicht?“ fragte Beth mit vollem Mund. Sie kaute genüsslich auf dem Sonntagsbrötchen und gab ein genießerisches „Mhhhh!“ von sich.
Alex grinste. „Ich weiß auch nicht so genau….Mangelnde Inspiration vielleicht. Es gab in letzter Zeit nicht wirklich etwas über das es sich lohnen würde ein Lied zu schreiben.“
Beth schluckte den Bissen herunter. „Das versteh ich nicht. Bei euch auf der Erde ist doch alles so wunderbar.“ Ihre Augen begann zu strahlen als sie weiter schwärmte: „Schon komisch oder? Eigentlich sollte der Himmel doch das Schönste und Wunderbarste überhaupt sein, aber hier ist alles viel aufregender und es gibt so viel zu entdecken.“ Sie deutete auf das Rührei und piekste gleich einen Happen auf ihre Gabel auf.
„Du meinst ich soll ein Lied über Rührei schreiben…nee, glaub mir Beth…so was wollen die Leute nicht hören.“ Alex lachte und blickte zur Decke. Ihre Naivität war manchmal wirklich zum Schießen komisch....und irgendwie auch ziemlich süß.
„Was wollen sie dann hören?“
„Na ja, am Besten kommen immer noch Songs über Gefühle an….Liebe und so…“, wobei sie also wieder beim Thema wären. Alex biss sich auf die Zunge als er ihren Blick sah. Wie immer, wenn es um menschliche Emotionen ging wurde Beth plötzlich schrecklich neugierig. Sie vergaß das leckere Frühstück von einer Sekunde auf die andere und schaute ihn erwartungsvoll an. Er merkte das diese Angelegenheit Beth’ ungeteilte Aufmerksamkeit hatte aber zeitgleich merkte er auch, dass ER nicht der beste Gesprächspartner für einen viel zu wissbegierigen Engel war. „Aber vielleicht werden Lieder über Fleischpastete oder Bienenstich je bald der Renner….“, versuchte er das Thema schnell in andere Bahnen zu lenken.
Beth lachte und Alex stimmte einen tiefen Ton an und begann zu singen während er dazu einen Akkord anschlug:
Der Grund weshalb ich klampfe
ist weil ich sie gern mampfe.
Saftig, würzig, himmlisch gut,
bewirkt sie bei mir Speichelflut.
Das klappt schlecht mit Trompete
... geht aber mit Gitarre.
Fleischpastete, Fleischpastete -
Gebt mir eine Knarre!
Ich würde für sie töten,
wäre es von Nöten!
Ich würd mich strafbar machen
für fleischig leck're Sachen!
Mein Wunsch soll sich erfüllen,
oh gebt mir meinen Willen,
ich bitte und ich bete,
ich kratz an der Tapete
für Fleischpastete, Fleischpastete!Laut lachend hielt sich Beth den Bauch, während Alex die Gitarre von seinem Knie sinken lies und den Kopf in den Nacken warf, weil er sich vor Lachen kaum beruhigen konnte. Er sah zu seinem Engel herüber und lauschte ihrem süßen Gekicher, dessen Klang eine furchtbar ansteckende Wirkung hatte. „Nicht gut?“ schmunzelte er ihr entgegen.
„Doch! Einfach köstlich“, antworte Beth zwischen kleinen Lachanfällen und brach ein weiteres Mal in schallendes Gelächter aus.
...tbc...
An dieser Stelle möchten wir uns ganz doll bei NobodyKnowsNina bedanken. Sie lieferte nämlich den Text für den Song, den Alex in diesem Kapitel zum Besten gibt....ohne dass sie wusste warum sie ein Lied über Fleischpastete komponieren sollte...Danke NKN, dass du für jeden Scheiß zu haben bist
Uuund ihr Leser ihr seid der Wahnsinn, wir können uns nur immer wiedeholen. WAHNSINN so viel Lob! Da glüht man ja wie Beth nach ihrem ersten Glühwein