"Bittersweet Symphony"Wir sind sprachlos. Dass wir euch mit unserer Geschichte so den Tag versüßen können, hätten wir uns nicht gedacht. Euer Feedback ist der schönste Dank für unsere Mühen. Wir hoffen ihr habt auch weiterhin Spaß.Kapiel 04 – "undeniable" Alex saß an seinem üblichen Platz in der Fußgängerzone und atmete tief die klare Winterluft. Heute fühlte er sich wirklich super. Bis auf die neu erworbene Psychose natürlich. Gerade klimperte er eine Akustik-Version von ‚Stille Nacht Heilige Nacht’ und beobachtete dabei gelangweilt das Gesehen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das Kaufhaus hatte für den heutigen Tag einen jungen Mann engagiert, der als Schneemann verkleidet Flugblätter vor der großen Drehtür am Eingang der Shopping-Hölle verteilte. Der arme Kerl tat Alex leid. Mit der weißen Strumpfhose, dem kugeligen Körper und der abgeknickten Karotte als Nase sah der junge Mann eher aus wie eine Witzfigur, als wie ein Schneemann. Und auch bei den Kunden, schien der metrosexuelle Schneemannverschnitt nicht richtig anzukommen. Alex sah, wie sich ein verzogener, kleiner Bengel aus der Menschenmasse, die in den Einkaufsladen strömte, löste und dem schlecht verkleideten Schneemann einen Schubs gab. Die Attacke brachte den Mann in Weiß so aus dem Gleichgewicht, dass er stolperte und auf den Weg kugelte. Anstatt dem gefallenen Schneemann auf zu helfen, lachten die Einkäufer nur und machten einen großen Bogen um ihn. Alex beobachtete, wie sich der Schneemann mühsam aufrichtete, die Flugblätter in die nächste Mülltonne pfefferte und sich seinen runden Kostümkopf unter den Arm klemmend auf den Weg über die Straße machte. Der junge Mann steuerte direkt auf Alex zu. "Hey, Mann. Kannst du mir sagen wo hier der nächste Bus nach Braily fährt?" fragte er frustriert.
Alex zuckte mit den Schultern und unterbrach sein Gitarrenspiel. "Der Bus fährt heute nicht. Sie haben den Verkehr wegen dem starken Schnee eingestellt. Hier steht es schwarz auf weiß", Alex zog das Tagesblatt auf dem er saß unter seinem Po hervor und hielt dem Ex-Schneemann die zerflederte Zeitung entgegen.
"Heute ist der schlimmste Tag meines Lebens", jammerte der Mann in der weißen Strumpfhose und setzte sich entmutigt neben Alex auf das Gehwegpflaster. "Nimm doch die U-Bahn", schlug Alex vor. Gleichzeitig reichte er dem armseligen Kerl den kleinen silbernen Flachmann, den er für emotionale Notfälle dieser Art immer parat hatte. "Ich habe nicht genug Geld für die U-Bahn", ärgerte sich der junge Mann und nahm dankbar einen großen Schluck aus der Flasche. Sofort begann er heftig zu husten. "Boah, was ist das für ein Zeug?"
"Scotch", antwortete Alex fröhlich und beugte sich vor um in dem Sammelhut vor seinen Füßen ein paar Doller zusammen zu suchen. "Hier, nimm das, bei mir läuft das Geschäft heute besser als bei dir", sagte Alex während er dem armen Tropf ein paar zerknüllte Scheine in die Hand drückte. Das war nicht gelogen. Heute waren die Passanten besonders spendabel und Alex hatte bereits mindestens das Dreifache seiner sonstigen Einnahmen in dem Hut.
Der junge Mann lachte und erhob sich um zu gehen: "Ha! Kein Wunder bei der niedlichen Begleitung! Danke, Mann!"
Alex stutzte. Begleitung? Wie in Zeitlupe folgte er dem Blick des Schneemanns über seine linke Schulter und sah wer hinter ihm stand - Scheiße, dass konnte nicht möglich sein - da war sie wieder, seine Halluzination. Beth strahlte über beide Ohren und verschränkte genugtuerisch die Arme vor der Brust. Skeptisch sah Alex zu dem Schneemann hoch: "Du kannst sie auch sehen?"
"Na klar“, lachte der junge Mann. "So eine hübsche Frau ist nicht zu übersehen." Er streckte Beth die Hand entgegen und stellte sich als Timothy vor. Alex sprang auf und beobachtete das Szenario fasziniert. Er blinzelte, sah zwischen den beiden hin und her, blinzelte noch mal. "Du siehst sie? Du kannst ihr die Hand geben?"
Langsam wurde der junge Mann misstrauisch. "Klar. Mann, was ist los mit dir?" fragte Timothy verständnislos.
"Ich...ich..", begann Alex zu stammeln, doch Beth unterbrach ihn: "Nichts ist los. Alex hat sich gestern den Kopf gestoßen und seit dem ist er ein bisschen durcheinander." Sie hob die Hand und machte mit dem Zeigefinger eine drehende Geste neben ihrem Kopf, die soviel bedeuten sollte wie: Er hat ne Schraube locker.
"Alles klar", zwinkerte Timothy zurück. "Danke noch mal wegen dem Geld", rief er den beiden über die Schulter zu und machte sich auf den Weg zur U-Bahn Station.
Alex klappte entgeistert den Mund auf. Panisch tippte er einem vorübergehenden Passanten auf die Schulter: "Können sie diese Frau sehen?" fragte er und zeigte mit dem Finger ängstlich auf Beth, als wäre sie ein bedrohliches Insekt. "Natürlich", kam als Antwort und auch die nächsten zwei Fußgänger konnten bezeugten, dass Beth existierte. Alex schüttelte verzweifelt den Kopf. "Ich kapier das nicht...", sprach er zu sich selbst und ließ sich wieder auf den Bürgersteig sinken.
Beth nahm neben ihm Platz. Elegant schlang sie das dünne Kleid um ihre nackten Beine und nahm die Füße zur Seite. "Was kapierst du nicht?" fragte sie einfühlsam.
Ratlos sah Alex seinem Schutzengel in die blauen Kulleraugen. "Was bist du?"
"Das habe ich dir doch schon versucht zu erklären. Ich bin ein Engel und du bist mein neuer Auftrag." Beth zog die Mundwinkel nach oben. Kleine Lachfältchen bildeten sich neben ihren Augen und ihre Wangen bekamen eine rosa Färbung.
In diesem Moment kam eine kleine alte Dame vorbei und blieb direkt vor ihnen stehen, über den Rand ihrer dicken Hornbrille hinweg sah sie Alex besorgt an „ Kindchen du bist aber dünn!“ Sie schüttelte den Kopf und wand sich dann tadelnd an Beth „ Die Jugend heut zu Tage, die wissen doch gar nicht mehr was gut für sie ist. Hach Gottchen, ich kenn das von meiner Nichte. Immer dieser Dosenfraß, da kommt doch nix dran an die Knochen. Kochen sie ihm mal ne fette Hühnerbrühe oder eine Tasse heiße Schokolade.“ Sie zwinkerte nun wieder Alex zu, der sich die ganze Zeit wie unter Zwang durch sein dunkles Haar fuhr und dabei immer mehr Schneeflocken auffing, die vom Himmel auf ihn gefallen waren und nun an seinen Finger klebten.
Dass es angefangen hatte zu schneien, war ihm völlig entgangen, viel zu sehr faszinierte ihn die Tatsache, dass selbst diese alte Omi mit ihrer dicken Hornbrille Beth sehen konnte.
„ S...Sie... etwa auch?“, stammelte er und brachte die gute Frau dazu noch einmal anzuhalten, ihre grauen kleinen Augen bedachten ihn mit einem weiteren Sorgevollen Blick. „ Herzchen, du bist vor Hunger ja schon völlig verwirrt, du Ärmster“, sagte die kleine Frau ehe sie seufzend von dannen zog.
Beth strich Alex eine Schneeflocke aus dem kalten Gesicht und stupste seine Nase „ Du bist schon manchmal etwas seltsam Alex. Warum sollten die Leute mich denn nicht sehen können? Dich sehen sie doch auch!“ Sie lachte ein so liebliches warmes Lachen, das den Schnee zum schmelzen brachte und Alex verzückt schmunzeln ließ.
„ Also auf jetzt! Du hast für heute genug gearbeitet wie wäre es wenn wir zwei noch zum Weihnachtsmarkt gehen?“
Es hatte keinen Sinn dieser Frau zu widersprechen, sie würde sowieso ihren Sturkopf durchsetzen.
„Meinetwegen“, seufzte Alex resignierend und kaum war er einverstanden, zerrte Beth’ kleine Engelshand auch schon an seinem Ärmel. Sie erinnerte ihn an ein aufgeregtes Kind am Geburtstagsmorgen. „Fein! Da gibt es sicher auch heiße Schokolade und gebrannte Mandeln, du hast ja gehört was die alte Frau gesagt hat.“
Sie blickte Alex verträumt an und leckte sich über die Lippen. „Ich liebe gebrannte Mandeln! Oh, Spekulatius, Lebkuchen... Baumkuchen...“, schwärmte Beth mit leuchtenden Augen weiter. „Weihnachtsmärkte sind ja sooo schön.“ Alex Mundwinkel glitten nach oben und schenkten der vor Enthusiasmus und Lebensfreude sprühenden Blondine ein kleines Lächeln. Sie war also wirklich real…wenn andere sie auch sehen konnten, musste sie wirklich existieren…aber ein Engel? Wer glaubte heutzutage schon an Engel?!
tbc