"Bittersweet Symphony" Kapitel 16 – ‚falling for you’ Am nächsten Morgen erwachte Alex nicht auf dem Boden, wie ursprünglich geplant, sondern in seinem eigenen Bett. Etwas kitzelte an seiner Nase und im nächsten Moment brach auch schon ein Niesen aus ihm heraus, weil sich eine blonde Engelslocke den Weg in eines seiner Nasenlöcher gebahnt hatte. Es war also wirklich alles passiert, er hatte sich die letzte Nacht nicht eingebildet. Mit einem kurzen Stoßgebet danke er Beth’ Chefin oder wer auch immer dafür verantwortlich war, dass er vergangene Nacht die Selbstbeherrschung aufbringen konnte sie NICHT zu küssen. Er war sich sicher, dass er noch weiter mit diesem süßen Engel gegangen wäre wenn er dem Drang sie zu küssen nachgegeben hätte. Jetzt, am nächsten Morgen wo sich die Hormone wieder etwas beruhigt hatten, war er dankbar dafür, dass sie nicht bis ‚zum Äußersten’ gegangen waren….obwohl er ihr so gern noch mehr gegeben hätte. Doch er hatte nicht das Recht einem Engel aus einer Laune heraus die Unschuld zu rauben.
Das plötzliche, laute Geräusch riss auch Beth aus dem Schlaf. Sie blinzelte zuerst Richtung Fenster und bemerkte, dass es über Nacht erneut geschneit hatte. Eine dicke, weiße Decke überzog die gegenüberliegenden Häuser und die Sonne ließ die einzelnen Eiskristalle in ihrem Licht funkeln. Sofort verzog sich ihr Mund zu dem breitesten Lächeln, das sie jemals gelächelt hatte. Wie friedlich ein solcher Morgen wirkte? Wer brauchte schon den Himmel, wenn es auf der Erde solche Tage gab? Beth drehte sich zu dem niesenden Mann neben sich und ihre Augen begannen zu strahlen. Wer brauchte schon den Himmel, wenn es auf Erden einen Alex gab?
Alex hielt sich die Hand vor Nase und Mund und murmelte ein ‚Guten Morgen’ in die Handfläche, bevor er schnell aus dem warmen Bett in das angrenzende Badezimmer flüchtete. Er brauchte eine kurze Pause von dieser göttlichen Kreatur, mit diesem Wahnsinns-Körperbau, den sexy verwuschelten Locken und dem befriedigten Lächeln auf den Lippen. Während er sich wie ein Besessener kaltes Wasser ins Gesicht spritzte, versuchte er sein bestes Stück mit Gedanken an möglichst unerotische Dinge wie die Oberlippenbehaarung alter Damen oder Stützstrümpfe zu beruhigen….aber es war zwecklos. Er hatte seit gefühlten achtzehn Stunden eine verdammte Dauererektion und eine nackte Frau in seinem Bett, war was das betraf keine Abhilfe. Korrigiere: eine nackte, hübsche Frau in seinem Bett, deren Stöhnen immer noch in seinen Ohren klang und deren Geruch immer noch an ihm haftete. …..
Nein, Stopp! Alex, reiß dich zusammen. Du wirst jetzt nicht da rein gehen und sie vernaschen wie ein Lebkuchenherz mit Zuckerguss. Du wirst noch ein paar Minuten einfach dastehen und warten bis sich diese verdammt, teuflische Lust auf Beth gelegt hat. Du wirst nicht jeden Zentimeter ihrer Haut küssen, ihre Beine um deine Hüften schlingen und sie…..Alex schluckte und starrte tadelnd sein Spiegelbild an. Er war so was von verloren.
Beth konzentrierte sich auf ihren Körper. Irgendwas war anders. So lebendig hatte sie sich noch nie gefühlt. Ihr Blick fiel auf die geschlossene Badezimmertür. Sie hörte das Plätschern der Dusche und überlegte, warum Alex so fluchtartig das Bett verlassen hatte. Vielleicht war die Sache mit dem Gefühl doch keine so gute Idee gewesen? Plötzlich war sie froh, dass er nicht mehr im selben Raum war. Ein tiefes Rot überzog ihre Wangen, sie sank zurück in die Kissen und zog die Bettdecke bis zur Nasenspitze hoch. Je länger sie an die letzte Nacht dachte, desto detaillierter wurde ihre Erinnerung. Er hatte…und sie hatte….und…..dann war da dieser Moment, der ihr Herz nur bei dem Gedanken daran aus dem Takt brachte. Panisch blickte sie sich um und entdeckte ihre Kleider über der Lehne des einzigen Stuhls den Alex besaß. Schnell schlüpfte sie aus dem warmen Bett und zog sich in Windeseile das Oberteil und die Jeanshose an.
Als Alex aus dem Badezimmer kam war Beth schon damit beschäftigt Eier und Speck anzubraten. Sie tat so, als würde sie nicht bemerken wie er hinter ihr den Raum durchquerte um sich aus der Kommode ein frisches T-Shirt zu nehmen. Er streifte den Stoff gerade über den Körper als Beth sich zu ihm umdrehte. Für einen viel zu kurzen Moment erhaschten ihre Augen einen Blick auf seinen trainierten Bauch und die schmale Spur kleiner, brauner Locken, die unter seinem Bauchnabel in seinem Hosenbund verschwand. „Ich komm nicht an das Salz ran“, sprach sie mit verräterisch unruhiger Stimme. Alex schenkte ihr den besten schüchternen Dackelblick zu dem er fähig war und kam mit einem Lächeln auf sie zu. Während Beth erstarrte wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht trat er dicht vor sie und streckte den Arm aus um das Salz vom obersten Ablagefach der Küchenzeile zu nehmen. Unbewusst reckte sie ihre Nase dem köstlichen, männlichen Duft nach frisch rasierter Haut entgegen. „Hier“, hauchte er und stellte den Salzstreuer auf die Arbeitsplatte. Sein Blick wanderte suchend über ihr Gesicht und stoppte schließlich an ihrem Mund.
Lippen, Küssen, Küssen, Küssen, waren die einzigen logischen Gedanken die sein Kopf zuließ. Wie magisch angezogen beugte er sich zu ihr herunter. Keine gute Idee, keine gute Idee…..schrillte die Alarmglocke verzweifelt im Hintergrund.
Beth spürte schon seinen Atem an ihrem Gesicht. Woher kam auf einmal diese Anziehungskraft zwischen ihnen? Als wäre sie wie ein Asteroid, der geradewegs auf den Planeten Alex zusteuerte, und es nicht mehr verhindern konnte, dass es früher oder später zu einem Einsturz apokalyptischen Ausmaßes kommen würde. Noch nie hatte sie etwas derart aus ihrer normalen Umlaufbahn gebracht wie dieser Mann.
Alex zuckte zusammen als ein dumpfer Knall, der von der Fensterscheibe zu ihnen herüber drang den knisternden Moment zwischen ihm und Beth unterbrach. Mit einem kleinen Seufzer, der vom ganzen Herzen kam machte er sich auf den Weg um nachzusehen, was die Ursache des merkwürdigen Geräusches war. Kaum war er am Fenster angekommen schlug auch schon ein weiterer Schneeball gegen die Scheibe, blieb für einen Augenblick wie eine plattgeschlagene Fliege kleben und rutschte dann traurig dahin schmelzend an dem Glas herunter. Er öffnete das Fenster um zu sehen welche ungezogener Bengel da draußen mit Schneebällen um sich warf, und was dann geschah hätte Alex eigentlich von vornherein klar sein müssen: Eine ganze Ladung Schnee wurde von der Straße aus auf ihn gefeuert, doch als er sich die eisige Munition aus dem Gesicht gewischt hatte um die Übeltäter zu identifizieren, waren nur noch die Rücken der drei Jungs zu sehen. Triumphierend lachten die Angreifer, während sie um die nächste Ecke bogen und sich schon auf die nächste Attacke vorbereiteten, indem sie sich immer wieder bückten und kleine Schneeportionen zu Bällen formten.
Mit amüsiertem Blick beobachtete Beth ihren Schützling. Seine Haut war gerötet und er schüttelte verärgert den Kopf, doch dann verwandelte sich das wütende Schnaufen von Alex in einen waschechten Lachanfall. Er taumelte zurück, ließ sich auf die Couch sinken und hielt sich den Bauch vor Lachen. Mit feuchten Augen und einem glücklichen Ausdruck im Gesicht beruhigte er sich nur langsam.
Beth stockte der Atem und ihre Mundwinkel fielen augenblicklich nach unten. Glücklich……Er war glücklich, verstand sie und ein unangenehmer Kloß bildete sich plötzlich in ihrem Hals. Wenn Alex glücklich war, dann würde es bedeuten, dass sich ihre gemeinsame Zeit mit ihm langsam zu Ende neigte. Schließlich war es ihr Auftrag dafür zu sorgen, dass er wieder Freude am Leben fand. Verwirrt über ihre Gefühle drehte Beth dem Lachsack auf dem Sofa ihren Rücken zu. Wieso war sie auf einmal traurig? So traurig, dass sie am liebsten laut los geschluchzt hätte? Eigentlich sollte sie sich darüber freuen, dass ihr Auftrag dieses Mal mit Erfolg endete, vor allem wenn sie daran dachte wie glücklich Alex erst werden wäre, wenn sie ihm von Josef erzählen würde. Er ahnte ja noch gar nicht, dass ihn sein bester Freund ebenso sehr vermisste.
Eigentlich hatte Beth sich nach dem gemeinsamen Schlittschuhlaufen fest vorgenommen Alex noch in der gleichen Nacht von dem Treffen mit Josef zu berichten, aber irgendwie waren ihr mal wieder ihre eigenen Träume dazwischen gekommen und die Nacht hatte eine ganz andere Wendung genommen. Sie biss sich auf die Unterlippe und spekulierte. Eigentlich sollte ihr Auftrag wichtiger sein, als ihre eigenen Wünsche aber vielleicht könnte sie den Moment noch ein wenig herauszögern? Nicht, dass sie ihn mit der Nachricht über Josef so glücklich machte, dass sie sofort zurück in den Himmel beordert werden würde.
Panik stieg in ihr auf. Bei dem Gedanken an einen Abschied von Alex zog sich ihr Herz zusammen. Beth drehte sich wieder um und sah, wie er den Kopf auf der Sofalehne abgelegt hatte und langsam versuchte seinen Atem zu beruhigen. Sicherlich wäre es nicht schlimm, wenn sie mit der guten Nachricht bis zum Abend warten würde…..so blieben ihr wenigstens noch ein paar Stunden mit ihm und mit diesem wunderschönen Kribbeln im Bauch. Und plötzlich verstand Beth warum ihr Körper in seiner Nähe verrückt spielte, warum sie jede Sekunde die ihr auf Erden blieb mit ihm verbringen wollte und warum Alex ihr auf einmal mehr bedeutete als alles, wirklich ALLES andere.
„Glaub mir Beth, du wirst schon wissen wenn du wirklich verliebt bist…..so ein Gefühl kann man einfach nicht NICHT bemerken…“, hallten seine Worte in ihrer Erinnerung und Beth begriff. Sie war verliebt.
Alex wischte sich die letzten Tränen seines Lachkrampfes aus den Augenwinkeln. Er hätte es wissen müssen. Das war der älteste Trick zur Weihnachtszeit. Er selbst hatte ihn unendliche Male angewandt und sich nach jedem Volltreffer wie ein Schneekönig über die Dummheit der Eingeseiften amüsiert. Es geschah ihm nur Recht, dass er dieses Mal selbst zu einem Opfer dieses Streichs geworden war. Hach, dieser Morgen war wirklich ganz nach seinem Geschmack…..Alex fühlte sich so lebensfroh wie schon lange nicht mehr. Er blickte mit einem breiten Grinsen zu Beth, die inzwischen wieder damit beschäftigt war das Frühstück vorzubereiten. Ein wenig verwundert darüber, dass sie kein Wort gesagt hatte seit dem ‚Beinahe-Kuss’ stand er auf, nahm ihr Teller und Besteck aus der Hand und begann den Tisch zu decken. „Was möchtest du heute unternehmen?“ fragte er nach einem Räuspern, welches die Stille zwischen ihnen unterbrechen sollte.
Der blonde Engel blinzelte. Das war doch irgendwie verkehrte Welt. Sie war auf die Erde gekommen um ihn glücklich zu machen, nicht damit sie einen Wunsch nach dem anderen von ihm erfüllt bekam. Also gab sie die Frage zurück: „Heute darfst du entscheiden, Alex.“
Er stütze den Kopf auf die Handfläche und blickte für ein paar Sekunden auf die eingeschneiten Häuserdächer der Nachbarschaft. Dann sah er ihr tief in die Augen: „Egal was, Hauptsache mit dir.“
Beth spürte wie ihr die Röte ins Gesicht stieg und wie ihr Herz schon wieder so verzweifelt heftig zu schlagen begann. Sie nahm gegenüber von ihm am Frühstückstisch Platz und versank sofort in seinen Augen, die an diesem Morgen wie eine ganze Farbpalette aus Blau- und Grüntönen leuchteten. „Wie wäre es mit einem Spaziergang durch den verscheiten Wald?“ Sofort öffnete Beth erneut den Mund um einfallslose Idee zurück zu nehmen. Aber Alex ließ sie gar nicht soweit kommen. Voller Tatendrang rieb die Handflächen aneinander, stand auf und trat an Beth heran um sich zu ihr zu beugten und ihr seinen Arm anzubieten: „My Lady, bereit für eine romantische Tour durch den Pittsburgher Wald?“
Das Lächeln was sich auf Beth’ Gesicht ausbreitete strahlte heller als die winterliche Sonne über der Stadt.