Disclaimer: Mir gehört gar nix, ich leih mir die Charaktere nur aus, und spiel ein bißchen damit
Das perfekte Weihnachten
Mick stand vor dem blinkenden und glitzernden Weihnachtsbaum. Er neigte seinen Kopf ein wenig, um den Weihnachtsbaum besser betrachten zu können. Seine Unterlippe zwischen den Zähnen und die Hände auf die Hüften gestützt, ließ er die Eindrücke auf sich wirken. Irgendwie hatte er die Weihnachtsbäume von früher etwas – anders in Erinnerung. Schöner, festlicher. Vielleicht war das das Ding mit Kindheitserinnerungen? Alles war schöner, besser, wenn man zurückdachte. Oder nicht?
Er hörte das leise "Klick" der Tür und ein fröhliches wenn auch müdes "Hey Schatz! Ich bin …", ein lautes „rums“ unterbrach Beth, als sie die Einkaufstaschen dort fallen ließ, wo sie gerade stand.
Er drehte sich um, aber bevor er näher gehen, sie liebevoll umarmen und ihr einen Kuss geben konnte, bemerkte er ihren entsetzten Gesichtsausdruck.
"Mick, was ist das?" Ihre weit aufgerissenen Augen auf den Baum gerichtet trat sie mit langen Schritten neben Mick.
Er brauchte seine PI-SACHKENNTNISSE oder Vamp-Supersinne nicht einzusetzen, um zu erkennen, dass offensichtlich etwas mit dem Baum nicht in Ordnung war – so wie er es selbst gerade schon vermutet hatte.
Er gab ihr einen schnellen Kuss auf die Wange bevor er antwortete. "Das ist unser, uh … Weihnachtsbaum?"
Beth stand nur da, stockstill wie der Baum selbst. Ihr Blick schweifte von oben nach unten über den Baum, über die blinkenden Lichter, die Dekoration bis zum zerbrechlich aussehenden Engel oben auf Spitze.
"Mick," sie schluckte hart. "Hast Du versucht, den Baum umzudrehen? Weisst du," sie trat einen Schritt auf den Baum zu, so als ob sie versuchen wollte das sperrige Ding selbst zu drehen. "Normalerweise dreht man den Baum mit der schönen Seite zum Wohnzimmer, und.. uh … die nicht so schöne Seite an die Wand oder zumindest dorthin wo man sie nicht so sieht!" Ihr leichter Ton klang gezwungen, der Anblick ihres ersten gemeinsamen Weihnachtsbaums hatte sie offensichtlich erschüttert.
"Also Beth, das habe ich getan. Das IST die schöne Seite des Baums." Gab er zu.
"Oh, okay." Sie legte ihre Fingerspitzen an ihre Lippen während ihre Augen nochmal die ganze Pracht des Baumes abwanderten. Sie sah zu dem Engel auf der Spitze. Mick folgte ihrem Blick. Beide neigten ihre Köpfe im Einklang und absolut synchron mit dem Engel, als dieser anfing zu kippen. Immer weiter neigte er sich nach rechts. Kurz bevor er herunterfallen konnte, hörten die Zeitlupenbewegungen auf und der Engel verharrte in seiner liegenden Position.
"Was ist denn mit dem Engel los? Denkst Du, dass er uh … müde ist oder ist ihm einfach schlecht? Er liegt jetzt mehr als er steht!" Sie zeigte mit ihrem Finger darauf, während sie versuchte, einen Witz über den lächerlichen Anblick des zerbrechlichen, horizontalen Engels zu machen.
"Ich weiß nicht. Als ich den Baum gekauft habe, war die Spitze noch gerade, da bin ich mir ganz sicher. Ich habe keine Ahnung warum die Spitze jetzt abgeknickt ist. Ich habe versucht, es zu reparieren, und ich dachte, dass ich das hatte, aber offensichtlich ist der Engel - zu schwer?" Obwohl er sich beim besten Willen nicht erklären konnte, wie ein winziger Engel, der so gut wie gar nichts wog, zu schwer für die Spitze eines Baumes dieser Größe sein konnte.
Wieder schluckte Beth hart. Sie nahm einige tiefe Atemzüge, und riss ihren Blick vom liegenden Engel los, es war besser das zu ignorieren. Großer Fehler. Der Anblick des liegenden Engels war nichts im Vergleich zu dem Baumschmuck. Sie zog ihre Nase kraus und trat näher an den Baum. Sie nahm eine der creme-farbenen Christbaumkugeln in ihre Hand. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete sie die zwei pausbäckigen Engel, die mit einem dummen Grinsen auf ihren Gesichtern auf einer Wolke saßen, während sie eine Sternschnuppe betrachteten.
"Die Dekoration ist …," sie suchte verzweifelt nach dem richtigen Wort. "Sie ist interessant." Vervollständigte sie den Satz, wenig überzeugend.
Mick biss sich auf die Lippe. Hässlich, uralt, antik, scheußlich, das waren die Worte die Mick einfielen um die altbackene Weihnachtsdekoration zu beschreiben. Obwohl, wenn man genauer darüber nachdachte, gab es nicht wirklich ein passendes Wort um den Schmuck zu beschreiben.
"Woher hast du sie?" fragte Beth in einem stockenden Tonfall, der Micks letzte Zweifel, ob die Dekoration nun modern war oder nicht, ausräumte.
"Es war ein Geschenk von Josef." Bei der Wahrheit zu bleiben war die einzig richtige Lösung, entschied er.
"Josef?" fragte sie ungläubig, während sie eine Orange farbene Weihnachtskugel genauer betrachtete, auf der zwei ähnlich aussehende Engel abgebildet waren, die vor einem Weihnachtsbaum standen und allem Anschein nach Weihnachtslieder sangen.
"Ah, ja. Geschenk von Josef." Bestätigte Mick, während er sich mit der Hand durch die Haare fuhr.
Beth drehte sich zu ihm um und sah in mit einem beunruhigten Ausdruck an.
"Mick, denkst du, er hasst uns?"Hätte sie nicht so verzweifelt ausgesehen, hätte er wahrscheinlich über die einfache Frage lachen müssen.
Aber eine andere Kindheitserinnerung bahnte sich seinen Weg in seinen Kopf. Seine Mutter war immer sehr stolz auf ihren Baum und die Dekorationen gewesen. Von daher war es wahrscheinlich, dass es für Frauen sehr wichtig war, wie der Baum aussah. Irgendwie. Und wenn er ehrlich war musste er zugeben, dass ihr Baum nichts war, worauf man stolz sein konnte.
Beth trat einen Schritt zurück und ließ ihren Blick langsam über den gesamten Baum wandern -über den gebogenen Stamm, die Zweige, die nicht annähernd genug waren für die Größe des Baumes.
"Mick ah... hast du dir den Baum angesehen, bevor du ihn gekauft hast?" Ihre Stimme klang abgeschlagen.
Mick schloss seine Augen und fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. Er versuchte eine passende Erklärung zu finden, warum der Baum einige Zweige zu wenig hatte. Und er fand keine. "Ah … weisst du …"
Beth hob ihre Hand und schüttelte ihren Kopf. Sie wollte es nicht hören. "Wann hast du das letzte Mal einen Weihnachtsbaum gekauft?"
Er musste sein Gedächtnis nicht lange durchwühlen um die entsprechende Antwort zu geben. "Niemals. Mein Dad hat das immer gemacht."
„Okay.“ Sie atmete tief durch. „Wir werten das einfach als Anfängerfehler, okay?“ Ihre Worte waren nicht ernst gemeint, nur ein wenig Spaß, er wusste das, und trotzdem stachen sie wie ein Pfeil in sein untotes Herz. Mick hatte seit einem halben Jahrhundert nicht mehr Weihnachten gefeiert, und bevor er zum Vampir wurde, hatte er bei seinen Eltern gelebt. Beths betroffener Gesichtsausdruck bewies, dass sie ihren Fehler bemerkt hatte und ihn bereute. Ein warmes, entschuldigendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und trotzdem konnte sie sich nicht zurückhalten und musste ihm erklären wie man wirklich einen Weihnachtsbaum kauft.
„Mick, bevor sie den Baum in das Netz stecken, musst du dir den Baum IMMER ansehen, und wenn er schon in dem Netz ist, dann bestehst du darauf, dass sie ihn nochmal auspacken. Denn wenn du das nicht tust, dann….“ Sie beendete den Satz nicht, sondern zeigte nur mit ihrer Hand in einer unmissverständlichen Geste in Richtung des Baumes.
„Oh, okay. Tut mir leid.“ Presste er hervor. Er bot ein Bild des Jammers als er so dastand, die Hände auf den Hüften, den Kopf gesenkt.
Beth trat näher, schlang ihre Arme um seine Taille und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. „Nein, es tut mir leid, ich hätte nicht so barsch sein sollen. Der Baum ist kein Problem. Nicht wirklich. Ehrlich gesagt, wäre es nicht unser erstes gemeinsames Weihnachten, wäre es wahrscheinlich sogar lustig. Weisst du, normalerweise sieht jeder Baum schön aus, sobald er geschmückt und beleuchtet ist. Aber der hier…,“ sie trat einen Schritt zurück und sah den Horror-Baum nochmals an. „Scheint die Ausnahme von der Regel zu sein.“
Ein trauriges Lächeln erschien auf ihren Lippen und Tränen glitzerten in ihren Augen. Beim Anblick von Beths niedergeschlagenem Ausdruck zog sich Micks untotes Herz schmerzhaft zusammen.
„Weisst du,“ fuhr sie fort, bevor Mick sie wieder umarmen konnte. „Ich wollte nur, dass unser erstes gemeinsames Weihnachten perfekt wird. Und jetzt? Es gibt keinen Kinderpunsch, ich hab vergessen den Truthahn aufzutauen, der ohnehin viel zu groß für uns beide gewesen wäre, wenn man bedenkt, dass ich die einzige bin die ihn essen würde. Der Baum sieht aus wie eine Requisite aus einem Weihnachts-Horror-Film, und ich bin deswegen unmöglich zu dir. Ich sollte es schätzen, dass du den Baum dekoriert hast, denn eigentlich sollte ich diejenige sein, die das tut, was ich auch getan hätte, wenn ich nicht bis zur letzten Minute mit den Weihnachtseinkäufen gewartet hätte. Ich hätte die ganzen Überstunden nicht machen sollen, ein freier Tag wäre schon drin gewesen, damit ich alle Vorbereitungen in Ruhe hätte treffen können. Ich habe alles falsch gemacht was man falsch machen kann. Und ich habe auf dem Parkplatz eine Frau angeschrien, habe ihr…Dinge… an den Kopf geworfen, nur weil sie schneller beim einparken war als sich. Sie hatte zwei Kinder im Auto, Herrgottnochmal. Kannst du dir vorstellen, welchen Stress sie an Weihnachten hat?“ Ein Schluchzer unterbrach ihren endlosen Wortschwall, große dicke Tränen rannen über ihre Wangen, als sie am Rande eines Heulkrampfes war. „Dein Weihnachtsgeschenk ist noch nicht fertig, also hab ich nichts für dich….,“ ihre Stimme versagte.
Er zog sie in eine enge Umarmung, ihr Körper schmiegte sich an seinen. „Schschsch….“ Versuchte er sie zu beruhigen, und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. „Kein Grund für Überreaktionen.“
In der Sekunde als die Worte seinen Mund verlassen hatten, wusste er, dass es keine gute Idee war, das Wort „Überreaktion“ zu verwenden. Er fühlte wie sie sich verspannte und im nächsten Moment schubste sie ihn von sich weg.
Wütend wischte sie ihre Tränen weg. „Überreaktion? Mick, willst du damit sagen, dass ich hysterisch bin?“Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. Mick trat näher und wollte sie wieder in die Arme schliessen, da wo sie hingehörte. „Nein, natürlich nicht Liebling. Alles was ich damit sagen wollte war, dass wir ein paar stressige Tage hatten die letzte Woche und wir deshalb das Fest nicht perfekt planen konnten.“ Er hoffte inständig, dass er diesmal die richtigen Worte gefunden hatte. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich langsam von dem kombinierten traurigen/wütenden Ausdruck zu einem stinksaueren. „Was willst du damit sagen Mick St. John? Das ich nicht fähig bin ein einfaches, perfektes Weihnachtsfest zu planen? So wie es tausende andere auch tun?“
Wenn er kein Vampir gewesen wäre, hätte er vermutlich angefangen zu schwitzen. Das ganze führte in die völlig falsche Richtung. „Nein, Beth. Ich…“
Sie ließ ihn nicht aussprechen. „Weisst du, wenn du dachtest ich übertreibe es alles mit Weihnachten und wenn du das ganze Primborium nicht wolltest, dann hättest du mir das sagen sollen.“ Wieder veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Verletzte Gefühle spiegelten sich deutlich in ihren blauen Augen zu wieder. „Vielleicht sind wir doch unterschiedlicher als ich dachte. Und ich rede hier nicht von der Vampir oder Mensch Sache.“
Mick hatte das Gefühl, als ob ihm die Beine nachgeben würden. Wie war die Situation von schlimm zu absolut entsetzlich eskaliert und das in nur wenigen Sekunden? Sie starrte ihn mit tränenverschleiertem Blick an. Und was zur Hölle war mit seiner Beth passiert, der starken, immer vorbereiteten und alles unter Kontrolle-habenden Beth? Etwas hatte sie in ein „perfektes-Weihnachts-Monster“ verwandelt.
Er wusste, sie meinte es nur gut, mit all ihren Bemühungen um das perfekte Weihnachtsfest. Er ging davon aus, dass der ganze Umstand alles „richtig“ zu machen und die Dinge die trotzdem falsch gelaufen waren, der Grund waren, warum sie jetzt so reagierte, wie sie es jetzt tat. Für ihn selbst, war dieses Weihnachten so perfekt wie es nur sein konnte. Aus dem ganz einfachen Grund, weil er es mit ihr feiern konnte. Er musste ihr das sagen, bevor alles den Bach runter ging.
„Beth,“ er trat näher und nahm zärtlich ihre Hände in seine. „Hör mir zu…“
"Ho, ho, ho" ertönte eine laute Stimme, die von irgendwoher weit weg und gleichzeitig schrecklich nah zu kommen schien. Ein lauter Rums folgte den drei kleinen Silben, als etwas Großes auf den Boden fiel.
Mick riss die Augen auf.
"Josef!" schrie er fast, als er sich etwas unbeholfen von der Couch aufsetzte. Seine Haare standen wirr vom Kopf ab.
Jesus Christus, das war nur ein Traum.
"Natürlich bin ich es. Wen hast du erwartet? Santa Claus, der mal schnell vorbeischaut ob du dieses Jahr ein artiger kleiner Vampir warst und deinen Wunschzettel abholt?“ spottete Josef.
Statt einer Antwort ließ Mick sich zurück auf das Sofa fallen und lehnte seinen Kopf auf die Rückenlehne. Er ächzte und entschied, dass es keinen Sinn machte Josef zu erklären, dass in der Geschichte von Santa die Elfen die Wunschzettel abholten und nicht Santa selbst.
"Klopfst du eigentlich nie an?" fragte er stattdessen.
Wow, meine Hände zittern. Stellte er fest, es wunderte ihn nicht wirklich.
"Tatsächlich habe ich das getan. Und als du nicht geöffnet hast und keine eindeutigen Geräusche durch die Tür zu hören waren," anzüglich zog Josef seine Augenbrauen hoch, "die erklärt hätten, warum du die Tür gerade nicht aufmachen kannst, habe ich beschlossen, mich selbst hereinzulassen." Jetzt erst schien er das derangierten Äußere von Mick zu bemerken. "Hast Du etwa geschlafen?" Fragte er erstaunt. Ein kurzes Nicken war Micks Antwort.
"Hör mal," sagte Josef in seiner „das ist ein Vater Sohn Gespräch“ Stimme, während er sich gegenüber von Mick in den Sessel setzte. "Kleines Vamp 1x1 für Anfänger. Wenn Du dich ausruhen willst, leg dich in deine Kühltruhe. Hast du eigentlich in deinen fünfzig Jahren als Vampir gar nichts gelernt?“ Josefs spottender schwand und er wurde ernst. "Du siehst nicht gut aus. Was ist los?"
Mit zittriger Hand fuhr Mick sich durchs Haar, ein Versuch die Unordnung zu zähmen – auf seinem Kopf und noch viel wichtiger IN seinem Kopf.
"Ich schätze, es war...," er runzelte die Stirn und sah Josef an. "Es war nichts. Nur ein Traum. Ein dummer Traum." Setzte er leise hinzu, er versuchte krampfhaft das fürchterliche Gefühl in seinem Magen, das der Albtraum hinterlassen hatte, zu ignorieren.
Josef riss die Augen auf. "Ein Traum. Erst einmal siehst du aus, als ob es ein verdammter Albtraum war und zweitens - Vampire.Träumen.Nicht.Niemals. Gott Mick, musst Du immer der seltsamste aus der ganzen Truppe sein?" Er stand vom Sessel auf, und ging zu dem geheimen Kühlfach, den ganzen Weg murmelte er vor sich hin."Er hat mein Blut in seinen Adern- was ist nur los mit ihm? Ich meine, ich konnte es ja früher noch verstehen, bei dem Blut seiner verrückten Ex! Aber mein Blut ist Premiumqualität! Es ist perfekt! Eigentlich das Beste überhaupt! Da stimmt alles!"
Mick nahm keine Notiz von den gemurmelten Worten seines Freundes. Der Traum war immer noch zu lebendig in seinem Kopf. Sein erstes Weihnachten seit einem halben Jahrhundert und noch wichtiger sein erstes Weihnachten mit Beth! Es sollte perfekt sein und nicht eine Katastrophe von Anfang bis zum Ende.
Es war nur ein Traum St John. Beruhig dich. Du kannst eigentlich gar nicht träumen. Der ganze Stress der letzten Tage hatte seinen Tribut gefordert. So einfach ist das. Zu viel Arbeit, nicht genug Zeit für die Weihnachtsvorbereitungen. Das war nur eine Reaktion deines Unterbewusstseins. Nichts um sich beunruhigen zu lassen. Es war nur ein Traum. Das Klirren von Gläsern holte ihn aus seiner Gedankenwelt zurück.
"Weisst du, " Josef sprach wieder lauter, als er zurück zu Mick schlenderte und sich wieder setzte. "Dieses ganze in Plastik verpackte Zeug, das du trinkst, natürlich ist das schlecht für dich! Ich sage dir immer und immer wieder, du solltest öfter von lebenden Spendern trinken. Du kannst nicht von dem abgepackten Zeug leben. Gütiger Gott, ich bin überrascht, dass du noch nicht verrückt geworden bist. Ich meine, du weisst ja nicht einmal, was diese Leute in ihrem Leben so alles angestellt haben mit ihrem Körper. Mick, ob du willst oder nicht, du solltest ernsthaft darüber nachdenken, meine Freshies zu konsultieren. Zumindest ab und an. Ich gehe davon aus, dass du Beth noch nicht gebissen hast?“
Mick knurrte unwillig, die letzte Anspielung auf Beth ignorierte er einfach. "O.k., o.k., Ich weiß was du sagen willst." Und unterbrach Josefs Standpauke damit. Er hatte es schon oft genug gehört. Aber die Antwort war noch immer dieselbe. "Ich werde mich nicht von Freshies ernähren."
Er entschied das Thema zu ändern. Der Traum wollte einfach nicht aus seinem Kopf verschwinden und er verspürte keinerlei Lust, in diesem abgelenkten Zustand seine Ernährungsgewohnheiten mit Josef auszudiskutieren.
"Wie komme ich zu der Ehre deines Besuches an diesem – wie nennst du es immer – dummen, menschlichen Tag, den du nicht magst? Oh und nicht zu vergessen, der Tag, der nur von der Regierung und der Industrie so hochgepuscht wird um dich zu ärgern, weil er die Leute dazu bringt, ihr Geld in Geschenke und nicht in Kostan Industries zu investieren?!"
Josef nippte an seinem Getränk und verzog unwillig das Gesicht. Er ignorierte Micks Anspielung auf seine nicht vorhandene Weihnachtsstimmung. Ein amüsiertes Lächeln erschien auf Josefs Gesicht, als sein Blick durch die Wohnung streifte und er das erste Mal die Weihnachtsdekorationen bemerkte.
Er stand auf, und mit zwei langen Schritten war er bei der Treppe, von deren Geländer eine Lichterkette in Form von Eiszapfen hing. Ein hellblauer Schein ging von ihnen aus. Er konnte offensichtlich nicht widerstehen und tippte mit seinem Finger gegen das harte Plastik, so dass die Lichterkette leicht von vorne nach hinten schwang.
"Ah, ja. Ich habe dir die Baumdekoration gebracht, von der wir gesprochen haben." Sagte er, so als ob ihm gerade erst wieder eingefallen war, dass es ja einen Grund für seinen Besuch gab. Er zeigte mit seinem Finger auf den riesigen Karton der neben der Tür stand. "Sie sind nur ein einziges Mal verwendet worden, als einer meiner Freshies darauf bestanden hat, dass wir unbedingt einen Weihnachtsbaum bräuchten. Warst du bei der Party nicht dabei?"
Mick öffnete seinen Mund um zu antworten, aber Josef sprach einfach weiter.
"Natürlich nicht. Du hast es ja vorgezogen, dein Weihnachten alleine mit einer Flasche Scotch zu verbringen.“ Konnte er sich nicht verkneifen. „Jedenfalls, als der Freshie mich verließ, hat sie das Zeug nicht mitgenommen. Konnte sie auch nicht wirklich, nachdem ich dafür bezahlt habe.“ Er wippte auf seine Fersen zurück, seine Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben.
"Ich hatte die Dinger völlig vergessen, aber als du erwähnt hast, dass du Weihnachtsdeko kaufen musst, weil du schmerzlicherweise keine besitzt,“ seine Augen streiften nochmals über die Eiszapfen-Girlande so, als ob er sich nicht sicher war, was vorzuziehen wäre. Keine Dekoration zu haben oder solchen Kitsch zu kaufen. „Jedenfalls hab ich dann wieder daran gedacht. Ich habe eins und eins zusammen gezählt. Und Voila. Wollen wir doch mal ehrlich sein, mein Freund. Du hattest doch nicht wirklich Lust darauf Weihnachtsdeko einkaufen zu gehen oder? Ich habe dir also einen Gefallen getan oder nicht?“ Er trat von der lächerlichen Lichterkette weg, nicht jedoch ohne ihr nochmal einen abschätzigen Blick zuzuwerfen und nochmals mit dem Finger dagegen zu tippen.
Die Weihnachtsbaumschmuck von Josef! "Oh ja." Antwortete Mick zögerlich. Die Frage, in welchem Jahrzehnt denn der Freshie aus Josefs Dienst ausgeschieden war, lag ihm auf der Zunge und er hatte Mühe sich zurück zu halten. Das Bild der altbackenen Weihnachtsdekoration aus seinem Traum stand noch deutlich vor seinem inneren Auge.
Man! Beruhige dich St. John! Es. War. Nur. Ein. Traum. Josef hatte die Deko in seinem Haus, es wird alles in Ordnung sein. Er ist ein 400-jähriger Modesüchtiger. Sein Zeug ist Spitzenklasse. Und hat er nicht erst vor ein paar Jahren angefangen, dass die Freshies direkt in seinem Haus wohnen können? Scheisse, ich kann mich nicht erinnern. Er atmete tief ein.
Josef ist dein Freund. Er tut dir einen Gefallen. Kein Grund zur Panik, es war nur ein Traum.Er musste sich wirklich zusammennehmen um nicht quer durch die Wohnung zu stürmen und die grosse braune Box aufzureissen, nur um sicher zu stellen, dass nicht ein Teil seines Albtraumes darin verpackt war. Trotzdem schaffte er es ein „Dankeschön, Josef“ herauszupressen, auch wenn es nicht ganz überzeugend klang.
"Gern geschehen." Josef wandte sich wieder seinem Freund zu der mit leicht besorgtem Gesichtsausdruck zu der grossen braunen Kiste starrte.
"Oh, und ich hätte fast vergessen zu erwähnen, ich hab den Lieferanten unten getroffen. Ich will mich ja nicht einmischen in dieses ganze Weihnachtszeugs, aber Mick, wo willst du dieses Ungeheuer von einem Baum denn hinstellen in deiner Wohnung?" Er wartete die Antwort nicht ab und setzte hinzu. „ Der Baum steht übrigens noch vor der Tür. Ich hab das Teil aus dem Fahrstuhl gezogen aber du kannst nicht erwarten, dass ich meinen neuen Anzug für eine dumme menschliche Tradition ruiniere.“
"Keine Sorge Josef, ich habe den Baum selbst gemessen. Er wird perfekt passen."Ja, ich habe den Baum gemessen und ihn gekauft und alles wird in Ordnung sein. Sie würden doch sicher auch keinen so hässlichen Baum verkaufen, wäre ja viel zu gefährlich, man könnte sie ja verklagen! Unwillkürlich musste er über seine eigenen Gedanken schmunzeln und irgendwie fühlte er sich schon viel besser.
Der Baum würde vollkommen sein. Er wusste es einfach.
Josef hatte die Fernbedienung für die Stereoanlage in die Hand genommen und mit einem leichten Tip seines Fingers schaltete er sie ein. Innerhalb von Sekunden entglitten ihm seine sonst so kontrollierten Gesichtszüge völlig und es war ein deutliches „was-zur-Hölle“ zu erkennen, und zwar genau in dem Moment als das fröhlich geschmetterte „Kling Glöckchen klingelingeling“ eines Kinderchors aus der Anlage schallte.
Mick riss die Augen auf, verdammt die CD hatte er ja völlig vergessen! Mit zwei langen Schritten war er bei Josef, und schnappte sich die Fernbedienung von seinem Freund zurück.
"Beth hat die CD gehört als sie…,“ er brach ab bevor er sagen konnte, unsere Weihnachts-to-do-Liste geschrieben hat. Bis zu dem Zeitpunkt hatte er nicht einmal gewusst, dass es etwas wie eine to-do-Liste für Weihnachten gab! Aber was wusste er schon? Er hatte seit über 50 Jahren nicht mehr Weihnachten gefeiert und davor war alles was er tun musste, sich an den gedeckten Tisch zu setzen, essen bis er fast platzte und seinen Eltern Komplimente für den schönen Baum machen.
Nach seinem offensichtlichen ersten Schock über Micks Musikwahl hatte Josef seine Stimme wieder gefunden. "Mick, verdammt nochmal, planst du deine Wohnung in Santas Behausung zu verwandeln? Ich meine, das kann doch nicht dein Ernst sein, oder?“
Das Klingeln von Micks Telefon bewahrte Mick vor einer weiteren Standpauke, die vermutlich zum Inhalt haben würde, dass Mick jetzt völlig durchdrehte und sein Verhalten die ganze Vampir-Population beschämen würde.
Schnell schaltete Mick die Anlage ab und ging ans Telefon.
"Hey Baby", er zuckte innerlich bei dem süsslichen Klang seiner eigenen Stimme. Josef rollte seine Augen und setzte seine Wanderung durch das Zimmer fort.
Mick beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Langsam schlenderte er zu dem Nussknacker, der neben dem Kristallfeuer platziert war. Josef sah sich das Ding genauer an und bewegte den Hebel nach oben. Er sah zu, wie sich der Mund des Nussknackers öffnete. Langsam senkte er den Hebel wieder und schmunzelte als sich der Mund mit einem leisen „Klack“ schloss. Und dann kam offensichtlich das Kind in dem 400-jährigen Vampir durch. Immer wieder ließ er den Hebel hoch und wieder herunter schnellen und klickte dabei mit seinen eigenen Zähnen im Takt.
"Süß" murmelte er leise. „Beißen – ohne Fangzähne…. Einfach süß!“
Mick rollte seine Augen und drehte sich um, damit er Josef nicht mehr ansehen musste.
"Ja, Beth. Ich höre dir zu." Er musste sich auf Beth konzentrieren, nicht auf das sonderbare Verhalten seines Freundes.
"Haben sie den Baum schon geliefert, den du gekauft hast?" fragte sie gerade nach.
"Ja, haben sie." Sein Blick schnellte zu Josef. "Genau genommen ist der Lieferant gerade noch hier!"
"Oh, das ist gut, das ist gut."
Beths Stimme klang gehetzt. „Hör mal, ich muss versuchen den Kinderpunsch zu finden, von dem ich dir erzählt habe. Ich kann einfach Weihnachten nicht ohne feiern. Außerdem habe ich dir eine Explosion deiner Geschmacksnerven versprochen, und ich habe vor, mein Versprechen zu halten.“ Mick stöhnte innerlich auf, als er einen schnellen Blick auf das noch halb volle Glas von vorhin warf, Josefs kleine Rede noch deutlich im Ohr. Er konnte sich eine ganz andere Explosion seiner Geschmackssinne vorstellen. Herzlichen Dank auch für die Erinnerung. Er konzentrierte sich wieder auf Beth und versuchte alle Gedanken an Josef und seine eigenen mehr als wirren aus seinem Kopf zu verbannen. Was war heute nur los mit ihm?
„Der letzte Supermarkt hatte keinen mehmehr. Und jetzt bin ich hier. Ich drehe schon die vierte Runde auf diesem verdammten Parkplatz. Ich meine, ich kann es nicht glauben, aber es gibt keinen einzigen freien Platz!“ der gestresste Ton von vorhin war verschwunden, sie klang verzweifelt. „Ist ganz LA auf den Beinen, um die letzten Einkäufe zu erledigen? Können sie das nicht früher machen?“ Ein warmes und schönes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, als er sich Beth vorstellte, wie sie mit wütend gerunzelter Stirn dasaß und ihre Hand auf das Lenkrad schlug.
Sie redete weiter und Mick musste sich auf die Lippen beissen. Gott, er liebte sie. Sie war so süß und nicht zu vergessen sexy, wenn sie so aussah, wie er es gerade vor seinem inneren Auge sah. Das war seine Beth. Sie hatte es sich zum Ziel gesetzt, das perfekte Weihnachten zu feiern, die letzten fünfzig Jahre gut zu machen, die er verpasst hatte. Und genau das würde es werden. Das perfekte Weihnachten. Er konzentrierte sich wieder auf Beth, als er ihre letzten Worte erhaschte.
„Oder erwarten sie eine schrecklich Schnee Katastrophe? Warum drehen sie so durch? Ehrlich Mick, du solltest das mal sehen. Die Einkaufswagen sind voll bis zum Rand, sie müssen aufpassen, dass sie die Hälfte nicht auf dem Parkplatz verlieren. Weihnachten dauert doch nur ein paar Tage! Okay, ich muss einfach versuchen ruhig zu bleiben.“ Versuchte sie sich selbst zu beruhigen. „Wie dem auch sei. Wenn ich diesen Supermarkt überlebt habe, muss ich eine letzte Besorgung machen, und dann komme ich nach Hause, okay?“
Er schaffte es gerade ein „okay“ dazwischen zu quetschen, bevor sie weiter sprach.
„Würdest du so lieb sein,“ die gespielten würgenden Laute aus Josefs Richtung bewiesen, dass dieser jedem einzelnen Wort der zugegebenermaßen recht einseitigen Unterhaltung zuhörte. „Und anfangen den Baum zu dekorieren, Schatz? Du hast doch die Baumdeko, die stand auf deiner Liste!“ Ihre Stimme klang wieder gestresst.
„Ja, ich habe den Baumschmuck. Alles unter Kontrolle. Lass dir ruhig Zeit und ich mache hier den Rest. Okay?“ Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht, als er sie beruhigte.
„Ah, Mick, du bist so süß! Oh, oh, ich muss aufhören, da ist ein freier Parkplatz! Lieb dich!“ und sie hatte aufgelegt, bevor er sich verabschieden konnte.
Das grässliche Gefühl von vorhin war jetzt völlig verschwunden, durch ein warmes, glückliches Gefühl ersetzt. Der Albtraum war nicht mehr als eine dunkle Wolke irgendwo in weiter Ferne am Horizont. Und er würde niemandem jemals davon erzählen. Wie würde denn das aussehen – er Mick St. John, der coole Vampir, der wegen einem blöden Traum völlig ausflippte.
„Alles in Ordnung an der fröhlichen Weihnachts Front?“ fragte Josef.
Mick sah noch einige Sekunden länger auf das Telefon in seiner Hand, Vorfreude auf die kommenden Tage deutlich in sein Gesicht geschrieben. „Ja, alles okay.“
„Das ist gut. Es ist ja schließlich die Zeit der Freude, des Glücks, der Liebe und all das. Okay Mick, Ich bin dann mal weg. Ich wünsche dir schöne Weihnachten und natürlich fröhliche Weihnachten und der ganze blah blah…“ Josef schlenderte in Richtung Tür.
„Was machst du dieses Jahr über die Feiertage?“ Mick konnte sich die Frage einfach nicht verkneifen.
Josef zögerte, zupfte an seinen Ärmeln und strich seine Krawatte zurecht. In seiner trainierten, emotionslosen Stimme sagte er: „ ich werde ein paar Tage die Stadt verlassen.“ Mit einem grinsen sah er Mick an. „Ich bin nun mal kein Weihnachts-Vampir.“
Mick nickte, er hatte eine Ahnung wohin Josef die nächsten Tage verschwinden würde, nachdem er sich vor Kurzem von Simone getrennt hatte. Aber er wollte nicht weiter bohren. Josef würde es ihm sagen, wenn er das wollte.
Josef ging wieder Richtung Tür. „Vergiss deinen Baum nicht, Schatz. Er ist draussen im Flur. Und,“ er war fast zur Tür raus, als er sich nochmal umdrehte und mit ernstem Gesicht Mick ansah. „Du solltest wirklich mal ein ernstes Wort mit dem Hausverwalter reden. Als ich diesen Monsterbaum aus dem Lift gehievt habe, haben sich die Türen geschlossen. Aber die Spitze des Baumes war noch drinnen. Das sollte nicht passieren.“
Mick blieb wie angewurzelt stehen, besorgt was Josefs nächste Worte für ihn bedeuten könnten. Das grässliche Gefühl von vorhin schoss wie ein Blitz zurück in seinen Magen.
Josef drehte sich wieder um und ging weiter Richtung Lift. „Ich bin mir sicher du kannst das irgendwie reparieren. Es ist ja nur eine abgeknickte Christbaumspitze. Frohe Weihnachten!“